Greensill Bank AG: Der Skandal weitet sich aus

Das Versprechen von "hohen Zinsen" macht offenbar immer noch blind

Völlig reizüberflutet verhalten sich deutsche Anleger - ganz vernarrt in vermeintliche Sicherheit - wenn man ihnen hohe Zinszahlungen verspricht. Allerdings ist es mehr als ärgerlich, wenn beim Ausleben dieser finanziellen Ahnungslosigkeit Steuergelder verschwendet werden. Den betroffenen Akteuren der öffentlichen Hand muss man in diesem Fall wenn nicht vollständige Ahnungslosigkeit, dann mindestens grobe Fahrlässigkeit unterstellen. Der jüngste Fall: Die Greensill Bank AG. Sicherheit konnte hier nur der Schutz durch die Allgemeinheit bieten oder wenn im Himmel auch wirklich Jahrmarkt ist. 

Viel Geld die Weser herunter gespült mit der Greensill Bank AG

Was sind heute schon noch 300 Mio. EUR? Ich bin der Meinung, das ist immer noch eine ansehnliche Summe, obwohl die EZB und unsere Politiker alles daran setzen, dass sich das bald ändert. Jedenfalls sind einige Kommunen in Deutschland sowie das Land Thüringen in Summe um diesen Betrag ärmer geworden durch die Pleite der besagten Bank. Es ist mir völlig schleierhaft, wie mutmaßliche Profis (sog. Kämmerer), denen die öffentlichen Gelder zur Verwaltung anvertraut sind, allen Ernstes bei einer solchen Adresse Geld anlegen konnten. Das Geschäftsmodell der Greensill Capital in London, der Schwester des deutschen Ablegers war der An- und Verkauf von Forderungen in großem Stil. Offenbar das exakte Gegenteil von einem langfristig soliden Geschäft in der Finanzwirtschaft - vor allem dann, wenn das Risiko aus sehr zyklischem Geschäft stammt. Das gilt insbesondere, wenn dieses Geschäft auch noch von einem völlig intransparenten Großkunden abhängt. 





Von Bremen über London und Indien nach Australien 

Wer sich nur ein wenig mit dem Geschäftsmodell seines Geschäftspartners beschäftigt hätte, hätte sofort erkannt, dass das deutsche Bankhaus Greensill Bank AG nur einen wesentlichen Zweck hatte: Geld einsammeln für die Greensill Capital in London. Die Londoner wiederum haben sich auf einen Großkunden eingelassen, die GFG Alliance (kontrolliert vom indisch-britischen Stahlmagnaten Sanjeev Gupta, 35.000 Angestellte in 30 Ländern). Nachdem diese Gruppe Forderungen nicht mehr erfüllen konnte, war Greensill Capital nicht mehr in der Lage, Versicherungsschutz für seine Verbriefungen zu erhalten. Ohne diesen gibt es keine verkäuflichen Forderungen mehr, der Geldfluss stoppt. Nach Angaben britischer Anwälte sind derzeit rund 5 Mrd. USD für Greensill Capital bei GFG vermutlich uneinbringlich. Die ganze Geschichte wird immer mehr zu einer Katastrophe für den Australier Lex Greensill, dem Gründer der nach ihm benannten Finanzgruppe. Plötzlich gelangt sein Name zu weltweiter Bekanntheit - mit sehr schlechtem Beigeschmack. 

Die Auswirkungen der Pleite der Greensill Bank AG in Deutschland

Die vermeintliche Sicherheit sowie der gebotene letzte Hauch von positivem Zins wirkten wie ein Honigtopf für deutsche Privatanleger - die ihre "German Angst" pflegen und der geliebten Spareinlage die Treue halten. Sie dürften mit ihren Einlagen, die u.a. über Plattformen wie "Weltsparen" oder "Zinspilot" von ihnen eingesammelt wurden, die Bilanzsumme über die Marke von 4 Mrd. EUR bei der Greensill Bank AG in Bremen getrieben haben. Somit dürfte eine gute Milliarde EUR an Geldern von Privatanlegern nun ein Fall für das deutsche Einlagensicherungssystem sein. Das Einlagensicherungsportal gibt hierzu folgende Auskünfte: Bei der Greensill Bank AG in Bremen greift die gesetzliche Entschädigungseinrichtung deutscher Banken mit 100.000 EUR je Anleger. Zusätzlich springt auch noch der Einlagensicherungsfonds der privaten Banken in die Bresche. Der Mindestschutz je Anleger liegt hier bei 750.000 EUR. Im Entschädigungsfall (dieser wurde am 16.03.2021 durch die BaFin festgestellt) erhalten Anleger ihre geschützten Einlagen innerhalb von 7 Werktagen zurück. Ziehen wir die bisher bekannten rund 300 Mio EUR ungesicherter öffentlicher Gelder hinzu, wird sich der Gesamtschaden für deutsche Anleger auf rund 1,3 Mrd EUR (e) addieren. Das ist sehr ärgerlich, im globalen Vergleich vermutlich aber noch überschaubar. Natürlich sind große Adressen aus der Schweiz unter den Investoren zu finden und dort bestehen offenbar Forderungen gegenüber der Greensill Gruppe im zweistelligen Milliarden Bereich. 


Lecker den Grill belegen, beherrschen die Truppen im Finanzministerium von Thüringen vermutlich besser als Geldanlage! Klarer Vorteil: In der Regel ist niemand verantwortlich. 


Bundesländer, Landkreise und Kommunen mit einer Anlagesumme von mehr als fünf Millionen Euro bei der Pleitebank Greensill Bank AG in Bremen

  • Freistaat Thüringen: 50 Millionen Euro 
  • Monheim (Nordrhein-Westfalen): 38 Millionen Euro*
  • Eschborn (Hessen): 35 Millionen Euro
  • Wiesbaden (Hessen): 20 Millionen Euro
  • Schwalbach (Hessen): 19 Millionen Euro
  • Mitteldithmarschen (Schleswig-Holstein): 17 Millionen Euro
  • Weissach (Baden-Württemberg): 16 Millionen Euro
  • Köln (Nordrhein-Westfalen): 15 Millionen Euro
  • Osnabrück (Niedersachsen): 14 Millionen Euro
  • Nordenham (Niedersachsen): 13,5 Millionen Euro
  • Bötzingen (Baden-Württemberg): 13,2 Millionen Euro
  • Gießen (Hessen): 10 Millionen Euro
  • Garbsen (Niedersachsen): 8,5 Millionen Euro
  • Emmerich (Nordrhein-Westfalen): 6 Millionen Euro
  • Vaterstetten (Bayern): 5,5 Millionen Euro
  • Pöcking (Bayern): 5 Millionen Euro 
  • Erzgebirgskreis (Sachsen): 5 Millionen Euro

Quelle: MDR

   * zur Einordung: Im laufenden Jahr 2021 sah z.B. der Haushaltsplan aus dem Jahr 2019 für die Schulträgerschaft in Monheim Ausgaben von rund 12 Mio. EUR vor. 

Die Gelder aus obiger Liste sind nahezu sicher verloren. Der Grund ist die Reform des Einlagensicherungsfonds aus dem Jahr 2017, die sich offenbar bei den Kämmerern noch nicht vollständig verbreiten konnte. Eingestuft als professionelle Investoren, darf man ihnen seitdem unterstellen, dass sie wissen, was sie tun. Seit dem 1.10.2017 zählen dazu die Kämmerer öffentlicher Gelder aus Städten und Kommunen oder Bundesländern.  

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Q: Reuters, NZZ, Einlagensicherungsportal, finanz-szene, focus

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