Können Informationen wirklich in Gold aufgewogen werden?


Liebe Freunde der schlauen Geldanlage und der großartigen Performance,

wie kann ich letztere erzielen, wenn doch Informationen und Nachrichten in Sekunden um den Erdball wandern? Haben dadurch nicht alle Anleger exakt die selben Chancen?

Seit Jahrzehnten streiten sich die Gelehrten um die Frage, wie Informationen in Marktpreisen enthalten sind. Je nach Umfang der in einem Preis enthaltenen Informationen leitet sich ab, ob Anleger mit einem Investment besser als ein Vergleichsmarkt abschneiden können. Das Fachwort hierfür lautet: "Informationseffizienz (von Märkten)".

Die Grundlagenforschung in diesem Bereich hat ein Herr Fama (Nobelpreisträger der Wirtschaftswissenschaft) bereits im Jahr 1965 gelegt. Seitdem hat sich der Graben zwischen den Forschern, die die These vertreten "Märkte sind informationseffizient und daher macht die Anlayse von Einzeltiteln keinen Sinn" und ihren Gegnern, die behaupten "sehr gute Analyse führt zu klaren Überrenditen" weiter vertieft.

Bevor ich diese ganze Theorie an einem Praxisbeispiel erkläre, muss ich noch kurz die drei Stufen der Informationseffizienzhypothese erläutern.

  1. Schwache Informationseffizienz: Alle marktrelevanten historischen Informationen sind im aktuellen Preis enthalten.
  2. Mittelstrenge Informationseffizienz: Alle historischen und öffentlich verfügbaren Informationen sind im gegenwärtigen Preis enthalten.
  3. Strenge Informationseffizienz: Alle historischen, öffentlich zugänglichen und nicht öffentlichen (Insiderinformationen) sind im aktuellen Marktpreis enthalten.
Unterstellt man den Märkten eine strenge Informationseffizienz, ist die Analyse von Unternehmensergebnissen und darauf aufbauend eine Kursprognose sinnlos - schließlich sind immer alle Informationen im Preis enthalten und - ganz wichtig - von den Marktteilnehmern richtig bewertet!  

Jetzt kommt die Fundamentalanalyse ins Spiel! Als ehemaliger Aktienanalyst gehöre ich selbstverständlich in das Lager derjenigen, die eine strenge Informationseffizienz an den Märkten nicht erkennen können. Wer sehr gute Analysen von Unternehmen, deren Märkten, Wettbewerbern, Kunden und Lieferanten durchführt, ist klar im Vorteil! Prominentes Beispiel: wirecard. Hätten sich mehr Analysten die Mühe gemacht, das Zahlenwerk kritisch zu hinterfragen, wäre der Betrug vermutlich schon viel früher aufgefallen. Wer hat sich die Mühe gemacht, die (nicht existierenden) angeblichen Kunden von wirecard in Asien zu kontaktieren? Vermutlich nur die echten Profis der Hedgefonds, die als sog. Shortseller große Gewinne realisieren konnten. Chapeau - sie haben es sich m. E. nach für ihre Arbeit verdient!

Ein einfaches Beispiel zur Verdeutlichung, was gute Analyse bewirken kann:

Das Unternehmen XY in Deutschland veröffentlicht eine Umsatzzahl für das zweite Quartal 2020 in Höhe von 50 Mio. EUR. Ca. 1 Sekunde später liegt diese Nachricht auch dem Investor auf Hawaii vor. Die nackte Zahl 50 Mio. EUR ist jedoch ohne ihre Einordnung in Zusammenhänge wertlos. Die Zahl 50 Mio. EUR erhält erst dann Kursrelevanz, wenn sie in einen z.B. historischen Zusammenhang gebracht werden kann. Wie lautete die Vergleichszahl im Vorquartal? Wie vor einem Jahr? Ganz wichtig ist auch die Einordnung zu den Erwartungen von Analysten. Wurden 45 oder 56 erwartet? Häufig passiert es, dass 50 berichtet werden und der Kurs stürzt ab, weil 56 erwartet wurden. Wenn es sich aber nur um einen Einmaleffekt handelte - z.B. durch einen verschobenen Großauftrag, ist die Abweichung kaum relevant. Diejenigen, die den Einmaleffekt als erste identifizieren, kaufen bei den niedrigen Kursen.

Viel bedeutender als die kurzfristige Reaktion auf Unternehmenszahlen ist natürlich die Analyse der langfristigen Entwicklung von Unternehmen. Hier gilt es z.B. Fragen zu beantworten, wie:
  1. Wie ist das Produkt- oder Angebotssortiment des Unternehmens?
  2. Wie ist dessen Preissetzungsmacht?
  3. Ist es in wachsenden oder schrumpfenden Märkten vertreten?
  4. Wie gut ist die Produktentwicklung aufgestellt?
  5. Werden neue Produkte für neue Märkte entwickelt?
  6. Sind die Ertragsmargen stabil oder noch ausbaufähig?
  7. Kommen Wettbewerber mit besseren Produkten auf den Markt?
  8. Bewegt sich das Unternehmen in geschützten Segmenten (durch Patente oder extrem hohe Markteintrittsbarrieren)?
  9. Wie hoch ist die Anzahl der Wettbewerber?
  10. Gibt es Abhängigkeiten von Großkunden oder Schlüsselpersonal?
  11. usw. usw.
In der FORMAT Asset Management teilen wir die Ansicht, dass fundamentale Unternehmensanalyse, wie oben im Beispiel erläutert, klare Möglichkeiten für die Erzielung von Überrenditen bietet. Daher arbeiten wir mit Fondsmanagern zusammen, die diesen Investmentstil verfolgen und in ihren Fonds umsetzen. Als besonders wertvoll erweist sich dieser Ansatz regelmäßig im Segment kleinerer Wachstumsunternehmen, die von großen Banken und Brokern kaum beachtet werden.

Wenn dann ein guter Fondsmanager mit seinen Analysten erkennt, dass berichtete 50 Mio. EUR eigentlich versteckte 60 Mio. EUR sind und im Folgequartal dann 70 Mio. EUR zu erwarten sind, lauert Outperformance.

Fazit: Nein, strenge Informationseffizienz an den Wertpapiermärkten können wir u. E. ausschließen und der rein theoretischen Modellbetrachtung überlassen. In der Praxis kennen zwar alle die Zahl 50 aus dem obigen Beispiel, ziehen jedoch unterschiedliche Schlüsse und Handlungsempfehlungen daraus. Nur wer den "wahren Gehalt" der Zahl 50 ermitteln kann, wird daraus für sein Investment eine Überrendite erzielen können. Ja, Informationen und der richtige Umgang mit ihnen können manchmal in Gold aufgewogen werden. Diejenigen, die sich die Mühe der intensiven Analyse im Fall wirecard machten, haben entweder hohe Verluste vermieden (weil sie die Aktie nie kauften - so wie in unserem Fall der individuellen Vermögensverwaltung) oder sie erzielten exorbitant hohe Gewinne, in dem sie auf fallende Kurse setzten.

Christoph Vogt

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