"Unternehmerfinanzplanung": Ist Amazon gut oder böse? "Hedging" erklärt
Liebe Freunde des schlauen Geldmanagements,
zunächst noch einmal zur Erinnerung: Hedging bedeutet die Absicherung einer risikobehafteten Position mit einer Gegenposition. Fällt eine Position im Wert, steigt die Gegenposition (im Idealfall in gleicher Höhe) und sorgt für einen Wertausgleich. Das ist das Grundprinzip. Feinheiten ersparen wir uns hier. Bei Unternehmern ist häufig eine Position im Unternehmen angesiedelt, während die Gegenposition hoffentlich im Privatvermögen zu finden ist.
Versetzen wir uns doch einmal zurück in das Jahr 2010: Amazon hatte sich definitiv auf den Weg begeben, die westlichen Märkte im Onlinehandel zu erobern. Als Markenanbieter in Deutschland musste man hier einfach mitspielen. Zu groß war die Verlockung, schnell mit Amazons hoher Reichweite neue Kunden zu gewinnen - nahezu global. Zumindest in ganz Europa. Viele Unternehmer konnten tatsächlich mit Amazons Hilfe ihre Umsätze im Onlinebereich deutlich ausweiten. Gemeinsam begab man sich auf einen - manchmal - schon sagenhaften Wachstumspfad.
Für diese freundliche Unterstützung verlangte Amazon eine unbescheidene Gegenleistung in Form von Umsatzprovisionen. Unternehmer standen also immer zunächst vor der Entscheidung, wie viel Deckungsbeitrag sie bereit waren, für ihr Wachstum mit Amazons Begleitung zu opfern. Margenschwache Massenware fiel somit schon einmal aus dem Angebot heraus. Blieben also nur starke Marken übrig für den Massenmarkt. Wer sich dann 2-3 Jahre mit Amazon intensiv beschäftigt hat, konnte ein Muster erkennen. Im Hochpreissegment griff Amazon nach und nach mit eigenen Angeboten an. Anbieter aus Deutschland mussten erkennen, dass der Großteil der (Handels-)margen in die Kassen von Amazon floss. Die Lust an der Zusammenarbeit zwischen dem erfolgreichen Mittelständler uud dem globalen Riesen verging alsbald. Es gilt die alte Weisheit: "Groß sticht klein." In diesem Fall mit brutalen Methoden. Aber nach 3 oder mehr Jahren war man bereits so sehr miteinander verwoben, dass der eine ohne den anderen nicht so wirklich konnte oder wollte. Die einstige Traumehe wurde zu einer Zweckgemeinschaft. Viele hiesige Unternehmer begannen, den Riesen geradezu zu hassen. Mussten sie doch das miese Spiel weiter mitmachen und mit ansehen, wie die Erträge aus dem eigenen Unternehmen immer mehr in Richtung Amazon flossen.
Sprechen wir Unternehmer aktiv auf ihre Zusammenarbeit mit Amazon an, hören wir laute Kritik. Details verkneife ich mir und verhülle sie mit dem Mantel der Liebe und des Schweigens.
Fakt ist, viele wollen heute die Scheidung. Lieber früher als später. Aber das geht eben nicht von heute auf morgen. Hersteller von Markenprodukten haben den Eindruck, dass Amazon zu sehr in ihre Tasche greift. Die Alternativen zu Amazon sind rar und im Notfall (z.B. über den Aufbau eines eigenen Shops) mit hohen Marketingkosten verbunden.
Jetzt kommt meine kleine Frage am Rande ins Spiel: "Lieber Unternehmer XY. Wann haben Sie begonnen, privat in Amazon Aktien zu investieren?" Wie lautet eine Standardantwort? "Das reicht mir, wenn ich mit denen Handel betreiben muss. Sonst will ich mit denen nichts zu tun haben! Die haben schon genug Geld von mir!" Eine nachvollziehbare aber leider grundlegend falsche Haltung. Emotionen sind immer ein falscher Investmentratgeber.
Wenn ich sehe, dass ein Unternehmen unglaublich stark wächst, u.a. mit meinem Geld und ich zusätzlich ein gutes Gefühl dafür habe, mit welchen Raten es vermutlich weiter wachsen wird, dann möchte ich mich gern daran beteiligen. Im Fall von Amazon ist das ganz einfach: Ich kaufe deren Aktie. Das hätte jeder Unternehmer, der mit Amazon zusammen arbeitet spätestens dann tun müssen, als er bemerkte, dass der langfristige Vorteil eher bei Amazon als bei ihm selbst liegt. Die Idee dahinter ist der Hedge: Ich tausche meine Deckungsbeiträge und den Verzicht auf zukünftige Marktanteile und Margen in Wertsteigerungen des Unternehmens, das mir selbige laufend abnimmt.
Fazit:
Wenn ein Unternehmer auf Gewinn in seinem Unternehmen und damit eine Wertsteigerung verzichten muss, weil ein stärkerer Geschäftspartner ihm diesen abnimmt, sollte er darauf achten, mit seinem Privatvermögen gegen zu steuern. Viele Mittelständler in Deutschland hätten heute vermutlich ein deutlich größeres Gesamtvermögen, wenn sie privat in Amazon investiert hätten. Ihr Einsatz hätte sich dort bekanntlich vervielfacht.
Amazon ist nun ein spezieller Fall. Daher arbeiten wir in der FORMAT Asset Management mit Publikumsfonds, deren Manager wir genau verstehen und im Idealfall persönlich kennen. Somit können wir auch "schwierig zu beratenden" Mandanten sehr gut helfen. Sie sind bei uns dauerhaft in Fonds investiert, die häufig über eine hohe Quote von Amazon Aktien verfügen - "was man nicht sieht, macht einen nicht heiß". Der Mandant freut sich dann lediglich über gute Performance. Womit das erzielt wurde, muss ja nicht im Detail gezeigt werden, wenn es nicht unbedingt nachgefragt wird.
So, das war ein Beispiel aus der Praxis für die Praxis, wie wir in der FORMAT Asset Management das vorhandene Gesamtvermögen in unsere Strategie einbinden und versuchen, langfristig eine möglichst robuste Anlage und Wertsteigerung des Vermögens zu erzielen. Das nennen wir Unternehmerfinanzplanung.
Noch eine Frage zum Schluss: Wie ist Euer Privatvermögen im Verhältnis zum Unternehmensvermögen strukturiert? Eine tolle Aufgabe für einen verregneten Sommertag!
Ich bleibe weiter für Euch am Ball,
herzliche Grüße,
Euer Christoph Vogt
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